Bitburg: Situation der städtischen Finanzen im Haushalt 2023
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer,
bei der Analyse des vorliegenden städtischen Haushaltes 2023, insbesondere bei der Betrachtung der kommenden Jahre, sehen die Fraktionen im Bitburger Stadtrat für ihre Stadt eine finanzielle Überforderung, gefolgt von einem finanziellen Kollaps. Mit diesem öffentlichen Brief gehen wir nicht auf die Ihnen und Ihren Mitarbeitern bekannte fachliche Thematik ein, sondern wir möchten die Probleme des „Allein-gelassen-Werdens“ aus unserer Sicht aufzeigen.
Worum geht es?
Die Stadt Bitburg wird mit Stadtratsbeschluss am 30.03.2023 ein Investitionsprogramm innerhalb des Finanzplanungszeitraumes 2023 - 2026 in Höhe von rd. 67,4 Mio. € verabschieden. Zum 30.06.2022 hatte die Stadt Bitburg 16.243 Einwohner. Für eine Stadt in dieser Größenordnung ein beachtliches Investitionsprogramm.
Dieses immens hohe Investitionsvolumen ist jedoch vornehmlich darauf zurückzuführen, dass die Stadt Bitburg über 80 % an gesetzlichen Pflichtaufgaben wie Schulen, Brandschutz und Kindertagesstätten umzusetzen hat. Dabei müssen wir einen Eigenanteil über Kredite in Höhe von rd. 40,0 Mio. € finanzieren.
Die effektive Zuwendungsquote hat sich im Haushalt 2023 gegenüber dem Vorjahr von ca. 20 % auf nun 15% verringert. Dies ist dadurch begründet, dass sich die Baukosten drastisch erhöht haben. Diese dynamische Entwicklung der Baukosten hat jedoch bei den Zuwendungsgebern keine Berücksichtigung gefunden.
Für den Bereich der Pflichtaufgaben ist eine Zuwendungsquote in Höhe von rd. 15 % nicht hinnehmbar bzw. nur durch eine erhebliche Neuverschuldung finanzierbar. Dies wirkt sich erheblich auf den Verschuldungsgrad der Stadt Bitburg aus. Während die Stadt Bitburg zum 31.12.2022 eine Verschuldung in Höhe von rd. 19,8 Mio. € ausweist, steigt diese gegen Ende 2026 auf beachtliche 63,0 Mio. €.
Der in den Folgejahren dauerhaft defizitäre Haushalt und das hohe Investitionsvolumen führen dazu, dass mangels Eigenfinanzierungsfähigkeit Tilgungen und Zinsen auch nur über neue Liquiditätskredite zu finanzieren sein werden, die bisher bei der Stadt Bitburg nicht notwendig waren.
Durch die gesetzlichen Forderungen zur Umsetzung und einer nicht ausreichenden Förderung wird dies zwangsläufig zu einer deutlich höheren Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch weitere Steuererhöhungen führen.
KITA-Zukunftsgesetz
Die finanziellen Auswirkungen des Kita-Zukunftsgesetz, die Umsetzung der Ganztagsbetreuung in den Grundschulen sind verheerend und führen letztendlich zu einer gravierenden Überschuldung einer in der Vergangenheit gesunden Kommune.
Mit dem Kita-Zukunftsgesetz hat das Land einen notwendigen Schritt für Familien und Kinder beschlossen. Das Gesetz sieht u. a. eine Regelbetreuungszeit von mindestens sieben Stunden inklusive Mittagessen vor. Durch diesen Rechtsanspruch müssen in den Kitas der Stadt Bitburg erhebliche Umbaumaßnahmen durch die Schaffung von Essens- und Schlafräumen, Wickelräumen etc. erfolgen bzw. neue Kindertagesstätten gebaut werden.
Die Förderung vom Land greift jedoch nur dann, wenn die Neu- oder Umbaumaßnahmen mit der Schaffung von zusätzlichen neuen Plätzen verbunden ist.
Da die großen Investitionsausgaben im Bereich der Kindertagesstätten überwiegend nicht mit der Schaffung neuer Plätze, sondern mit dem Erhalt bestehender Plätze nach den neuen Kriterien verbunden sind, hat die Stadt Bitburg innerhalb des Finanzplanungszeitraumes einen Eigenanteil von rd. 12,5 Mio. € zu finanzieren.
Grundschulen: Förderfähige Flächen – Rahmenraumprogramm aus dem Jahr 1978
Seit 2002/2003 ist die Grundschule Süd in der Schullandschaft der Stadt Bitburg Ganztags- und Schwerpunktschule. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung zur Bereitstellung eines inklusiven schulischen Angebots. Der gemeinsame Unterricht von beeinträchtigten und nicht beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, stellt ein ergänzendes Angebot für die Eltern- und Erziehungsberechtigten im Eifelkreis und in der Stadt Bitburg dar.
Das Land Rheinland-Pfalz, der Fördermittelgeber, bezieht sich jedoch bei den förderfähigen Flächen lediglich auf ein Rahmenraumprogramm aus dem Jahr 1978, welches für diese Angebotsarten nur sehr eingeschränkte anerkennungsfähige Flächenbedarfe vorsieht. Da es sich um einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter ab dem Jahr 2026 handelt, müssen solche Flächen jedoch als förderfähig anerkannt werden. Da entsprechende Förder-programme, für Inklusions- und Ganztagsschulen bisher noch keine Anwendung finden, sollten diese Flächen jedoch als förderfähig anerkannt werden. Dies kann sicherlich im Rahmen eines Bewilligungsbescheides geregelt werden. Die derzeitige Landesförderung ist zu gering!
Wer bestellt, der bezahlt auch?!
Die Konnexität wird in der Gänze unterbrochen, da die erforderlichen Finanzmittel für diese Maßnahme, weder von der Bundes- noch von der Landesregierung bereitgestellt werden. Die Kosten werden auf die kommunale Ebene, somit auf die Bürger und Unternehmer unserer Stadt, abgewälzt.
Bereits in der Vergangenheit wurden die unterschiedlichen Gebühren, Gewerbe- und Grundsteuern erhöht und das waren auch noch nicht die letzten Veränderungen in diesem Bereich. Diese zusätzliche Belastung trifft die Menschen und die Unternehmen genau zu der Zeit, wo die finanzielle Not durch Inflation, Rezession, Energiekosten und Zinsänderungen allgegenwärtig ist.
Die umzusetzenden Vorgaben wurden durch die staatlichen Ebenen (Bund und das Land Rheinland-Pfalz) beschlossen, folglich muss die Aufgaben- und Finanzverantwortung auch auf dieser Ebene liegen.
Da wir vor Ort für die Umsetzung dieser Maßnahmen die Verantwortung tragen, ist es zwingend erforderlich, uns mit den erforderlichen Finanzmitteln auszustatten.
Wenn hier kein Umdenken erfolgt, sehen wir die Unterstützung wichtiger Leistungen nicht als gefährdet, sondern als unerfüllbar an. Das betrifft in Bitburg z. B. unser Schwimmbad, unsere Eissporthalle, öffentliche Veranstaltungen (Folklorefestival), Maßnahmen für Kinder, Jugendliche, Vereine, Gesundheitsvorsorge und die Kultur. Die Liste lässt sich ohne Mühe fortführen.
Damit wird die politische Arbeit vor Ort wird „ad absurdum“ geführt. Der Unmut der Bürger gegen die politischen Entscheidungsträger und die Verwaltung nehmen deutlich zu. Darüber hinaus führt dieses Vorgehen zu einer einseitigen finanziellen Belastung der Einwohnerinnen und Einwohner von Bitburg, was aus unserer Sicht nicht tragbar ist.
Das im Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2) und in der Landesverfassung Rheinland-Pfalz (Artikel 49) festgeschriebene Selbstverwaltungsrecht der Kommune, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln, wird untergraben.
Wir fordern die Landesregierung Rheinland-Pfalz auf, der drohenden Finanzlage dringend entgegenzuwirken und entsprechende Finanzmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen.
Alle Fraktionen im Bitburger Stadtrat haben beschlossen, die Haushaltsreden zu boykottieren und diesen Hilferuf zu verfassen, der auch veröffentlicht wird.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer,
wir würden uns über einen Dialog und Ihre Unterstützung freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Gerten CDU-Fraktion |
Manfred Böttel FBL-Fraktion |
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Willi Notte Liste Streit-Fraktion |
David Ewald |
Patric Nora FDP-Fraktion |
Bitburg, 27. März 2023